Wir räumen die Kirche aus

 

Als er mir dann so direkt ins Auge geschaut hat, unser Herr Jesus Christus, da wurde mir schon ein wenig mulmig. Heute war halt Ausräumgottesdienst. Und einige waren so eifrig dabei, dass unser Wandkruzifix schon vor dem Eingangslied seinen Platz an der Wand verloren und sich das Schauspiel aus der Ecke angeschaut hat. Vorher war ich noch durch Geschäftigkeit und den Aufbau unseres klitzekleinen Gemeindefestes abgelenkt, aber als er mich so anschaute wurde mir doch bewusst, dass heute besonderes beginnt.

 

Und als dann Kirchenvorsteherin Salfer im Gottesdienst auch noch mein zehnjähriges Dienstjubiläum in Flieden erwähnte, da wurde mir noch mulmiger, denn schließlich war das schon ein indirekter Auftrag in den ersten Dienstwochen: „Wir müssen auch mal die Kirche renovieren!“ 10 Jahre Anlauf also, und jetzt soll es passieren.

 

Nach dem Gottesdienst war eine große Lust zu bemerken, mal richtig hangreiflich an der Kirche zu wirken. Ich wäre ja schon zufrieden gewesen, wenn alle Möbel draußen gewesen wären. Aber dann waren die Gottesdienstbesucher kaum zu bremsen und am Ende war auch noch der Fußboden herausgerissen.

 

Da fragt man sich natürlich, ob das einem Sonntag noch angemessen ist. Aber wie hat der Pfarrer so schön im Gottesdienst gesagt: „Wer Sonntag morgens in der Kirche war darf nachmittags auch tapezieren.“

[Holger Biehn]